Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor susanne volkmann am 20. Januar 2008
60540 Leser · 0 Kommentare

Bildung

Warum ist Heimunterricht nicht möglich?

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

ich bitte Sie von Herzen, die gesetzlichen Bedingungen dafür zu schaffen, dass Homeschooling in Deutschland legalisiert wird.

Durch das im November gefällte Urteil vom BGH und die daraus resultierende Handlungsweise der zuständigen Behörden werden immer mehr Familien zu einem Weggang aus Deutschland gezwungen, sofern sie nicht das Sorge- bzw. Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre Kinder verlieren möchten.

In keinem Land der Europäischen Union wird die soziale Gruppe der Homeschooler verfolgt wie in Deutschland.

Riskiert Deutschland tatsächlich seine innere Sicherheit und die Zukunft der Kinder, wenn es Homeschooling zulässt?

Eines ist gewiss: Wenn noch mehr bildungsnahe Familien in Deutschland keine Chance für individuelle Bildungsfreiheit sehen und das Land verlassen, hilft das keinesfalls der Entwicklung einer zukunftsorientierten und wettbewerbsfähigen Gesellschaft.

Eine Entwicklung von Parallelgesellschaften ist in Deutschland ebenso abwegig wie in jedem anderen Land, in dem Homeschooling erlaubt ist.

Persönlich möchte ich Ihnen als Mutter einer (noch) nicht schulpflichtigen Tochter versichern, dass ich mein Kind ohne zu zögern einer Schule zuführen würde, wenn ich wüsste, dass sie dadurch nicht unglücklich wird. Aber genauso möchte ich die Möglichkeit haben, sie noch etwas länger im elternlichen Hause zu haben, bis sie wirklich so weit ist, zur Schule gehen zu können.

Es gab in den letzten 20 Jahren so viele positive Entwicklungen im Bereich der Kindererziehung, es wäre doch schade, wenn einige wenige Kinder nicht die Möglichkeit hätten, zu Hause Sicherheit zu tanken, bis sie den Schritt in die große Klassengemeinschaft wagen können.

Ich würde mich sehr freuen, von Ihren Mitarbeitern über die Möglichkeiten informiert zu werden, welche Bedingungen für die Legalisierung erfüllt sein müssen.

Herzliche Grüße und alles Gute!

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 08. Februar 2008
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Volkmann,

vielen Dank für Ihre Mail, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

In Deutschland besteht allgemeine Schulpflicht. Für die Umsetzung sind ausschließlich die Länder zuständig.

In der Sache haben sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Bundesgerichtshof gute Gründe für die Schulpflicht genannt. So heißt es in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2006: „Die allgemeine Schulpflicht dient dem legitimen Ziel der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrags. Dieser Auftrag richtet sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen und die Erziehung zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit. Er richtet sich auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft teilhaben. Die Offenheit für ein breites Spektrum von Meinungen und Auffassungen ist konstitutive Voraussetzung einer öffentlichen Schule in einem freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen.“

In der von Ihnen zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Entstehung von religiös oder weltanschaulich geprägten „Parallelgesellschaften" entgegenzuwirken ist und Minderheiten zu integrieren sind. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Bitte informieren Sie sich über die vielfältigen Schulangebote an Ihrem Wohnort. Fast alle Schulen bieten einen Tag der offenen Tür an oder stehen zu einem ausführlichen Informationsgespräch zur Verfügung. Wir sind sicher, dass Sie so eine geeignete Schule finden, auf dem Ihr Kind zusammen mit Gleichaltrigen bestmöglich gefördert wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung