Liebe Besucherinnen und Besucher,

seit 2006 beantwortete das Bundespresseamt Ihre Fragen auf dieser Plattform im Auftrag der deutschen Bundeskanzlerin. Im Zuge einer Neustrukturierung entwickelt das Bundespresseamt sein originäres Angebot weiter im Sinne eines Bürgerservices mit Dialogmöglichkeiten. Auf dieser Plattform wurden am Montag, den 30. April 2018, die letzten drei Fragen beantwortet. Neue Beiträge und Kommentare werden nicht mehr veröffentlicht.

Wir danken Ihnen für Ihre rege Teilnahme auf www.direktzurkanzlerin.de.

Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Norbert Stamm am 15. März 2012
14187 Leser · 1 Kommentar

Soziales

Sozialbetrug

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin!

Medien berichten, dass im Bundesfinanzministerium daran gedacht werde, die staatlichen Zuschüsse zu den Sozialversicherungen zu kürzen, da die Sozialkassen infolge des dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung 2011 gestiegenen Beitragsaufkommens Überschüsse erwirtschafteten.

Die Beiträge zu den gesetzlichen Sozialversicherungen orientieren sich ja alleine an der Höhe des Bruttoarbeitsentgelts und richten sich damit ausdrücklich nicht nach individuellen Risikogesichtspunkten – wie etwa Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand und dergleichen mehr.
In einer Sozialversicherung kommt Elementen des Solidarausgleichs und der interpersonellen Umverteilung eine besondere Bedeutung zu. So zahlt die gesetzliche Krankenversicherung auch versicherungsfremde Leistungen für:

kostenfreie Mitversicherung Familienangehöriger,
Beitragsfreiheit bei Mutterschutz und Elternzeit,
Haushaltshilfen bei Schwangerschaft oder
Krankengeld für Eltern, die wegen der Betreuung von Kindern nicht arbeiten können.

Auch der gesetzlichen Rentenversicherung wurden im Laufe der Jahrzehnte eine Reihe allgemeiner gesellschaftlicher Aufgaben übertragen, deren Finanzierung der Gesellschaft als Gesamtheit (allen Steuerzahlern) und nicht alleine dem (kleineren) Kreis der Beitragspflichtigen obliegt.
(Ausführlich dazu die Arbeitnehmerkammer Bremen: http://www.ak-sozialpolitik.de/dukumente/2012/2012-02-22%...)

Diese versicherungsfremden Leistungen sind folglich nicht aus Beitragseinnahmen zu bestreiten, sondern durch die Allgemeinheit, also alle Steuerzahler, mithin aus dem Staatshaushalt zu finanzieren. Darauf also beruht die Verpflichtung des Staates, an die Deutsche Rentenversicherung und den Gesundheitsfonds Zuschüsse zu leisten.

Deshalb möchte ich Sie, Frau Bundeskanzlerin, fragen, ob Sie diese Pläne - die versicherungsfremden Leistungen in Zukunft ausschließlich den gesetzlich Versicherten, damit der Mehrheit der Bevölkerung mit geringen bis mittleren Einkommen, aufzubürden - billigen oder aber in Ausübung Ihrer Richtlinienkompetenz einen solchen Sozialbetrug verhindern werden?

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Stamm.

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 24. April 2012
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Stamm,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Versicherungsfremde Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind zum Beispiel die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen oder die Beitragsfreiheit bei Mutterschutz und Elternzeit. Diese Leistungen werden sowohl aus Beiträgen der Versicherten als auch aus Steuermitteln aller Steuerzahler finanziert. Versicherungsfremde Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung werden durch die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgedeckt, also ebenfalls durch Steuergelder.

Der Grund: Bei diesen versicherungsfremden Leistungen handelt es sich nicht um originäre Aufgaben der Versicherungen, sondern um allgemeine gesellschaftliche Aufgaben. Allein die Rentenkasse erhält jährlich aus dem Steueraufkommen rund 80 Milliarden Euro.

Was die „Kürzung“ von zwei Milliarden Euro Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds angeht: 2011 hat der Bund einmalig (bis 2014) einen Zuschuss von zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Sie sollten dazu dienen, Sozialausgleichskosten (für Krankenkassen-Zusatzbeiträge) abzudecken. Diese Mittel braucht der Fonds momentan jedoch nicht, also kann der Bund sie im nächsten Jahr einbehalten. Der Begriff „Kürzung“ ist demzufolge falsch. 2014 ist zu entschieden, welche Mittel der Bund ab 2015 bereitstellen muss.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (1)Schließen

  1. Autor Norbert Stamm
    am 28. März 2012
    1.

    Aktualisierung und Nachtrag:

    Wie es nun aussieht, werden tatsächlich in den folgenden Jahren Beträge in Milliardenhöhe aus den Sozialhaushalten in den Staatshaushalt verschoben. Damit wird der gigantische Sozialbetrug früherer Jahrzehnte fortgesetzt, wie ihn Otto Teufel dokumentiert und auf Hunderte von Milliarden berechnet hat: http://www.youtube.com/watch?v=xLNIYEHQ3l0 . Nachzulesen auch bei: http://www.altersdiskriminierung.de/download/Positionspap...

  2. Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie angemeldet sein.