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Ihr Moderationsteam

Beantwortet
Autor Gunther G. am 17. Dezember 2012
10551 Leser · 4 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Missmanager und die Arroganz der Eliten

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

am 15. Dezember 2012 schreibt Holger Schmale im Leitartikel der "Frankfurter Rundschau" sinngemäß:
Es ist ein Trauerspiel, wie die Wirtschaftseliten Deutschlands fachlich, ökonomisch und moralisch versagt haben.

Beispiele:
So das Traditionsunternehmen Thyssen mit fragwürdigen Provisionen, Scheinrechnungen und Kartellverstößen.

Die Deutsche Bahn wird in Stuttgart statt 4,5 Milliarden Euro mindestens 6 Milliarden Euro brauchen. Die Bürger wurden mit geschönten Rechnungen getäuscht.

Der Berliner Flughafen, ein Desaster und die Krönung eines politischen und fachlichen Versagens. Die Aufsicht über das Riesenprojekt hat sich die Politik vorbehalten. Die deutschen Spitzenunternehmen wie Bosch und Siemens waren mit ihren Aufträgen überfordert.

Die Deutsch Bank ist in Strafverfahren wegen Betruges, Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Manipulation verwickelt.

Im Leitartikel schreibt Herr Schmale, nicht die Wutbürger vom Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 gefährden den modernen Industriestandort Deutschland, sondern versagende Eliten erweisen sich als Problem für die Entwicklung des Landes.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, warum prangern Sie und Ihre politischen Freunde andere europäischen Staaten, die mit Korruption und Misswirtschaft zu kämpfen haben an, wenn die politischen und wirtschaftlichen Eliten nicht einmal in unserem Land das Übel beseitigen können?

Nach Ihren Worten führen Sie die "Erfolgreichste Regierung seit der Wiedervereinigung".

Können Sie von anderen Ländern Disziplin und Ordnung fordern, mit dem Zeigefinger anprangern, wenn im eigenen gepriesenen Vorzeigeland ähnliche Zustände herrschen?

Mit freundlichen Grüßen

Gunther Gräfe

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 22. Januar 2013
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Gräfe,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Die große Mehrzahl der Unternehmen und Aufsichtsräte in Deutschland leistet hervorragende Arbeit – ebenso wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nicht von ungefähr braucht der Standort Deutschland international keinen Vergleich zu scheuen. Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen für gute Entwicklungen zu setzen. Der Erfolg unserer Sozialen Marktwirtschaft wird weltweit anerkannt und hat mittlerweile Modellcharakter.

Allerdings gibt es auch Beispiele für nicht gelungene oder schwierige Projekte. Jedes Fehlverhalten bedarf einer genauen Einzelaufklärung. Pauschal den politischen und wirtschaftlichen Eliten Versagen zuzuschreiben, ist unredlich. Schließlich gibt es in der großen Mehrzahl positive Beispiele für Großprojekte. Das Land Niedersachsen etwa hat in Wilhelmshaven einen Tiefwasserhafen für hochseefähige Schiffe gebaut, der termingerecht fertig und nicht teurer als veranschlagt wurde.

Um das Vertrauen in die Unternehmensführungen zu stärken, ist 2002 der Deutsche Corporate Governance Kodex verabschiedet worden. Damit werden die geltenden Regeln für Unternehmensleitung und -überwachung für nationale wie internationale Investoren transparent gemacht. Der Kodex wird fortlaufend aktualisiert. Mehr dazu unter: http://www.corporate-governance-code.de/index.html

Einen Überblick über die Regierungsarbeit, die auch zu dem niedrigen Stand der Arbeitslosigkeit beigetragen hat, über die gestiegenen Investitionen in Forschung und Bildung oder die starke Entlastung der Kommunen, finden Sie hier: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2012/11/...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (4)Schließen

  1. Autor Helmut Krüger
    am 18. Dezember 2012
    1.

    Geehrter Herr Gräfe,

    ich denke mal, was fehlt, das ist ein bodenständiges Wirtschaften, was kein bloß vorgeführtes in PublicRelationsBroschüren ist, sondern eines, was seinen Namen verdient.

    Dazu gehören überschaubare und tatsächlich handhabbare Zeitmaße, nicht aber illusionär zusammengedrückte Zeitmaße mit Entscheidungen abgehetzt zwischen Tür und Angel, positiv also damit verbunden ein wohlverstandenes Maß an Anschauung.

    Außer rein rechnerische Szenarien, die fast jegliches Maß an Anschauung vermissen lassen, wird zurzeit kaum etwas geboten, Wenige gibt es, die es anders machen, gewiss, das ist wichtig zu nennen, doch eigentlich sind es nahezu einsame Rufer in der Wüste. Ich meine damit Menschen mit Herzblut und Visionen vor Ort, die etwas Schritt für Schritt vergrößern, genau so, wie ein Mensch allmählich, nicht aber abrupt WÄCHST. Das wäre folglich die Absage, ein bloßes Aufblähen schon mit Wachstum zu verwechseln.

    Die Fähigkeit, gut zu wirtschaften, schließt die Fähigkeit sich im Überbordenden und im illusionär HInausgreifenden zurückzunehmen, mit ein. Das gilt m. E. überall und unter allen Vorzeichen.

    Vom anderen etwas zu fordern, was ich selber nicht einzuhalten bereit bin, das untergräbt jegliche Glaubwürdigkeit, zumindest was den Blick von außen angeht. Selber die Hausaufgaben machen und in dieser Hinsicht Vorbild zu sein, ohne das theatralisch herauszustreichen zu müssen, sorgt ggf. für Nachahmung.

    In puncto öffentlicher Nahverkehr, in puncto Stadtbilderhaltung und ökologische Modernisierung durch das Setzen von Standards kommt diesem Land zweifellos Vorbildwirkung zu (wobei bei der Verbindung des 1. und des 2. mittlerweile die Franzosen größere Vorbildkraft erlangt haben), im tendenziell illusionär verhafteten und tendenziell desorganisierten Wirtschaften ist dieses Land weiter denn je entfernt davon, Vorbild zu sein.

  2. Autor Helmut Krüger
    am 28. Dezember 2012
    2.

    Und ich will noch etwas anfügen, zwischen den Jahren, wo zumeist doch etwas mehr Zeit ist als sonst im Jahr.

    Einmal hatte ich einen Gedankenaustausch mit einem Firmengründer und -besitzer, der es für sich anders sah in puncto Hierarchie und das war kein bloßes Gerede. Es ging darum, die Hierarchie nicht etwa um 180° zu kippen, dass nur die, die jetzt unten sind, verheißenerweise oben sein werden und umgekehrt auch, sondern sie um 90° zu kippen - Schritt für Schritt freiwillig und nicht von Staats wegen auferlegt wohlgemerkt.

    Allerdings ist meine Empfindung hierzu, dass das kopfschüttelnde und von Ablehnung geprägte Hochschauen genauso eingewöhnt ist, wie jenes Herunterschauen seitens derer, die sich gleichfalls als "da oben" begreifen. Alles andere würde die gewohnte Ordnung AUF BEIDEN SEITEN der vertikalen Organisation durcheinanderbringen.

    Was ist es, dass die Gesellschaft der von Staats wegen versuchten Gleichen letztlich eine stärkere und starrere vertikale Organisation geschaffen hat, was das Strammstehen gegenüber oben angeht, dass Geländer beim Vor-Ort-Besuch weiß gestrichen wurden, Fassaden verhängt wurden, dass eifrig nach dem Munde geredet wurde, wogegen Abgeordnete heutzutage ja schon allesamt Querköpfe sind?

    Das vorsgestellte Kippen um 90° ist nicht nur eine schöne Utopie, ich glaube, wir können jeden Tag damit anfangen. Keine Hochachtung vor wissenschaftlichen Titeln, so, als wären das übererbte Adelstitel, die zu blauem Blut verhälfen. Papst oder Müllmann, das ist vom puren Menschsein egal. Die machen nur jeweils etwas anderes und darin können sie auch, soweit sie es gut machen, geachtet werden.

  3. Autor Malus P.
    am 30. Dezember 2012
    3.

    In dem Buch von Heinz Verfürth "Die Arroganz der Eliten" lese ich auf der Seite 244 Folgendes:
    Die Verantwortung, die die Eliten für die Zukunftsfähigkeit einer Kommunität zu tragen haben bedeutet den Willen zur Veränderung. Drei Aspekte sind dabei wesentlich:
    Erstens:
    Man muss Vorbild sein, dies nicht nur vorgeben, und es muss jederzeit nachvollziehbar sein. Die deutschen Eliten haben sich da in jüngster Zeit viele Blößen gegeben- und diese Feststellung bezieht sich nicht allein auf die exorbitanten Bezüge von Top-Managern. Die Gleichgültigkeit wie auch die Rücksichtslosigkeit von großen Teilen der Eliten, mit denen sie sich durchsetzen, lässt sich nicht überstrapazieren. Diese "Vorbilder" zermürben das Wertegefühl einer Gesellschaft, sie verletzen Empfindungen für Gerechtigkeit, Anstand, Moral. Eine Führungsschicht, die sich so gibt, wenn auch nur in Teilen, öffnet auf diese Weise eine Gesellschaft für kannibalistische Züge.
    Zweitens:
    Eine Elite, die sich selbst absolut nimmt und für den Maßstab aller Dinge hält, macht sich zum Gegenteil dessen, was sie zu sein beansprucht.
    Drittens:
    Eliten müssen stärker in gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen denken, planen, entscheiden und dafür Verantwortung übernehmen. Mit Arroganz, wie sie allenthalben in Führungsgruppen zu beobachten ist, setzt sich nur jene unverantwortliche Regie fort, die bereits jetzt das Land in vielen Bereichen zurückwirft.

  4. Autor Helmut Krüger
    am 01. Januar 2013
    4.

    Geehrter Herr Pumilla,

    mir persönlich kommt der Begriff der "Elite" zu glatt und zu selbstverständlich rüber, vor allem angesichts der Tatsache, dass er sich in vielfältiger Weise an vorfindbaren Verhältnissen bricht: vom Nach-dem-Munde-reden und kritiklosem Hochschauen bis hin zur grundsätzlichen Kritik daran und das möglichst alles in die Tonne zu treten. Ein eher soziologischer Begriff wird das nicht ändern können.

    Ich glaube, dass der Begriff der Elite immer in großen Teilen für Widerspruch sorgen wird und das halte ich auch für sehr gut so.

    Dass es Vorbilder braucht, Menschen, die wissen, wovon sie reden und nicht nur ihre PR-Abteilung vorschicken das Entsprechende zu formulieren, darin stimme ich Ihnen zu. Ebenso auch in dem anderen. Von ganzem Herzen und ohne das ginge es nicht, auch wenn das mittlerweile für Viele antiquiert klingt.

    Nachdem nach 1968, als Autorität und autoritäres Verhalten gleichgesetzt wurde, nun dies glücklicherweise differenziert wird, vielleicht wären Autoritäten ein akzeptablerer Begriff? Dies darum, weil es nicht durchgängig um "oben" und "unten" geht, sondern darum, dass sich einer hoffentlich mit Vision und mit Herzblut vor Ort kümmert, wobei ein ausgeprägtes Oben-Fühlen doch die Sache im Grunde genommen schon verdirbt?

    Schönes neues Jahr 2013

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