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Beantwortet
Autor C. Dornecker am 27. November 2008
22630 Leser · 0 Kommentare

Gesundheit

Zweiklassengesellschaft im Gesundheitswesen

Sehr geehrte Frau Merkel,

im Zuge der Wirtschaftskrise wird den Bürgern derzeit vermittelt, dass es keine Steuersenkungen geben wird, da der Bürger bereits bei der Arbeitslosenversicherung entlastet wird.
Leider wird nicht erwähnt, dass der abhängig Versicherte gleichzeitig mit einer deutlichen Erhöhung der Beiträge zur Krankenversicherung rechnen muss. Dies betrifft immerhin 90 % der Versicherten.
Es ist nur schwer einsehbar, dass wir in einer Demokratie nicht in der Lage sind, gleiche Voraussetzungen für alle Bürger zu schaffen.
Unser Grundgesetz sieht ein umfangreiches Diskriminierungsverbot vor. Niemand darf wegen seiner Religion oder seines Geschlechtes schlechter behandelt werden. Leider hat man bei díesem Diskriminierungsparagraphen den Geldbeutel der Büger nicht eingeschlossen.
Während den vermögenden Bürgern die Wahl zwischen 2 Versicherungsmodellen eingeräumt wird, wird den weniger gut verdienenden Bürgern eine Zwangsversicherung vorgeschrieben.
Gleichzeitig wird dieses System mit einer überbordenden Bürokratie ausgestattet, die ebenfalls von der immer geringer werdenden Klientel der abhängig Beschäftigten, finanziert werden muss.
Auffällig ist natürlich auch, dass nur sehr wenig gegen den ausufernden Lobbyismus in diesem System unternommern wird.
So ist es für den normalen Bürger nur schwer verständlich, dass im europäischen Ausland deutlich weniger für pharmazeutische Produkte aufgewendet werden muss. Hier wurde ein Schirm über eine Branche gespannt, der vom Bürger teuer bezahlt werden muss.
Leider ist es auch bis heute nicht gewollt, dieses intransparente System für den Bürger durchschaubar zu machen.
Jeder Versicherte sollte über die Kosten, die er im Gesundheitssystem verursacht informiert werden. Privat Versicherte erhalten Rechnungen und können somit das eigene System kontrollieren. Gesetzlich Versicherte werden künstlich dumm gehalten.
Es wäre sicher im Sinne eines demokratischen Systems, wenn man für alle Bürger die gleichen Rechte und Pflichten herstellen könnte.
Hier sehe ich persönlich eine große Möglichkeit für Politiker eine Gesellschaft zu gestalten. Es ist nicht einsehbar, warum man nur aufgrund seines Einkommens zur Solidarität herangezogen wird, oder die Freiheit eingeräumt erhält, sich einen deutlich besseren Leistungskatalog zu erkaufen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Ich würde mir wünschen, dass man die soziale Kluft in der Gesellschaft nicht mehr an den unterschiedlichen Versicherungssystemen festmachen kann.
In Anbetracht der kommenden Bundestagswahl, würde ich gerne wissen, wie man die Spaltung der Gesellschaft, auch in Hinblick auf das Gesundheitswesen, überwinden möchte.

Mit freundlichen Grüßen
Christiane Dornecker

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 16. Januar 2009
Angela Merkel

Sehr geehrte Frau Dornecker,

vielen Dank für Ihre E-Mail, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Das Nebeneinander von gesetzlicher (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) ist historisch gewachsen und hat eine lange Tradition. Beide folgen sehr unterschiedlichen Funktionsprinzipien. Eine einfache Zusammenlegung beider Versicherungsarten ist nicht möglich. Sie würde diverse verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen. Unter anderem die nach Grundrechten wie Gewerbefreiheit und Eigentumsschutz. Die Regierungskoalition hat sich deshalb im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 darauf verständigt, das plurale System und die Kassenvielfalt zu erhalten, zugleich aber für mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen zu sorgen.

Die Gesundheitsreform fördert einen fairen Wettbewerb auch zwischen privaten Krankenversicherungen und der GKV. Dabei ist die Durchlässigkeit zwischen beiden größer geworden.

Mehr Wettbewerb und Transparenz sowie größere Eigenverantwortung im Gesundheitswesen werden immer wichtiger. Dafür sind mit der Gesundheitsreform – neben vielen Leistungsverbesserungen – Regelungen getroffen worden. Auch die Versicherten haben mehr Wahlfreiheit. Sie können – anders als früher – je nach ihren persönlichen Präferenzen wählen: zwischen verschiedenen Versorgungsformen (zum Beispiel integrierte Versorgung, Hausarzttarife). Zudem kann man sich, wenn man möchte, für Selbstbehalt- und Kostenerstattungstarife entscheiden. Und: Gesundheitsbewusstes Verhalten wird belohnt - mit niedrigen Zuzahlungen oder Boni.

Diese Veränderungen sind erforderlich, damit auch in Zukunft jede/r Versicherte unabhängig von Alter, Geschlecht und Einkommen auf der Höhe des medizinischen Fortschritts und zu bezahlbaren Preisen versorgt werden kann. Dabei wird die Gesundheitsversorgung auf lange Sicht nicht billiger. Eine hochwertige medizinische Versorgung hat bereits heute ihren Preis. Gute Krankenhäuser, moderne Geräte, qualifiziertes und engagiertes medizinisches Personal sind nicht zum Nulltarif zu haben. Diese Kosten werden durch den medizinischen Fortschritt und die zunehmende Alterung unserer Bevölkerung weiter steigen.

Übrigens haben – anders als Sie annehmen - nicht nur privat Versicherte Anspruch auf eine Rechnung, wenn sie zum Arzt gehen. Gesetzlich Versicherte erhalten, wenn sie dies wünschen, eine Patientenquittung mit verständlichen Kosten- und Leistungsinformationen. So können alle Patienten nachvollziehen, welche Leistungen zu welchen Kosten Arzt oder Krankenhaus erbracht haben.

Sie sprechen weiterhin das Thema Arzneimittelpreise an. Deren Anstieg einzudämmen ist der Bundesregierung seit langem ein besonderes Anliegen. Sie hat mit mehreren Gesetzen, zuletzt mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG), weitreichende Regelungen getroffen. So gibt es jetzt zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Krankenkassen mit Medikamentenherstellern Preisnachlässe vereinbaren und die Ärzte einbinden.

Dies soll einerseits sichern, dass die Versicherten Zugang zu Arzneimitteln haben. Andererseits muss die Arzneimittelversorgung finanzierbar bleiben. Das heißt, es wurden Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass die Arzneimittelausgaben nicht unbegrenzt steigen. Weitere Informationen dazu unter:

http://www.bmg.bund.de/cln_117/nn_1168252/SharedDocs/Stan...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung