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Beantwortet
Autor Denise Achter am 13. Dezember 2007
7976 Leser · 33 Stimmen (-6 / +27)

Aktuelles

Streik?

Sehr geehrter Herr Lammert,

in den vergangenen Monaten haben wir in Deutschland wieder einige Arbeitsstreiks erlebt. Besonderes Aufsehen haben die Arbeitskämpfe der Lokführer erregt. Mehrmals war der Personenverkehr von den Maßnahmen betroffen.

GDL und DB schienen lange keinen Kompromiss zu finden - viele Bahnreisende hatten den Eindruck die Last des Arbeitskampfes würde auf Ihren Rücken ausgetragen. Je länger die Verhandlungen andauerten, desto ungeduldiger wurden die Betroffenen - in diesem Fall eben auch Pendler, Geschäftsreisende und Urlauber. Viele forderten die Einmischung des Bundes in die Streitigkeiten, zumal die Bahn noch immer ein teilweise staatlicher Betrieb ist.

Wie bewerten Sie rückblickend den Ablauf des Streiks und die Verhandlungen zwischen Bahn und Gewerkschaft? Vor allem würde mich auch interessieren wie Sie in diesem Zusammenhang die Rolle des Bundes bewerten.

Über eine Stellungnahme würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichem Gruß,

Denise Achter

+21

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Antwort
aus dem Bundestag am 08. Februar 2008
Bundestagspräsident

Sehr geehrte Frau Achter,

streikbedingte Verspätungen oder Ausfälle von Zügen waren sicherlich für viele Reisende ärgerlich. Auch für Unternehmen, die auf den schienengebundenen Güterverkehr angewiesen sind, brachte der Streik Schwierigkeiten mit sich.

Das Grundgesetz gewährleistet jedoch in Artikel 9 Absatz 3 die sogenannte Koalitionsfreiheit. Danach ist für jedermann und für alle Berufe das Recht gewährleistet, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bilden. Das bedeutet auch, dass jede Berufsgruppe, sofern sie aufgrund ihrer „Mächtigkeit“ (ein vom Bundesarbeitsgericht formuliertes Kriterium) als Gewerkschaft anerkannt wird, für ihre Mitglieder vom Arbeitgeber einen Tarifvertrag fordern und ihn auch notfalls durch Arbeitskampf als letztes Mittel erzwingen kann. Die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht sind Kernbestandteile der Tarifautonomie. Die grundrechtliche Gewährleistung der Arbeitskampffreiheit gebietet im gesamten Tarifgeschehen staatliche Neutralität. Deshalb darf der Staat nicht in Arbeitskämpfe eingreifen, darf nicht in irgendeiner Weise zugunsten eines der Kontrahenten Stellung beziehen und auch keine Zwangsschlichtung durchsetzen. Die Politik kann, falls erwünscht, lediglich versuchen, zwischen den Tarifparteien zu vermitteln – worum sich Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und die von den Tarifparteien angerufenen Politiker Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler intensiv bemüht haben.

Hintergrund dieses Gebots staatlicher Zurückhaltung ist nach Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in einer Entscheidung zu Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz die auf historischen Erfahrungen beruhende Erkenntnis, dass die Tarifparteien in der Regel eher als der Staat in der Lage sind, den Interessen der widerstreitenden Gruppen und dem Gemeinwohl gerecht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Referat Presse und Kommunikation