Sehr geehrte Frau Achter,
streikbedingte Verspätungen oder Ausfälle von Zügen waren sicherlich für viele Reisende ärgerlich. Auch für Unternehmen, die auf den schienengebundenen Güterverkehr angewiesen sind, brachte der Streik Schwierigkeiten mit sich.
Das Grundgesetz gewährleistet jedoch in Artikel 9 Absatz 3 die sogenannte Koalitionsfreiheit. Danach ist für jedermann und für alle Berufe das Recht gewährleistet, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen bilden. Das bedeutet auch, dass jede Berufsgruppe, sofern sie aufgrund ihrer „Mächtigkeit“ (ein vom Bundesarbeitsgericht formuliertes Kriterium) als Gewerkschaft anerkannt wird, für ihre Mitglieder vom Arbeitgeber einen Tarifvertrag fordern und ihn auch notfalls durch Arbeitskampf als letztes Mittel erzwingen kann. Die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht sind Kernbestandteile der Tarifautonomie. Die grundrechtliche Gewährleistung der Arbeitskampffreiheit gebietet im gesamten Tarifgeschehen staatliche Neutralität. Deshalb darf der Staat nicht in Arbeitskämpfe eingreifen, darf nicht in irgendeiner Weise zugunsten eines der Kontrahenten Stellung beziehen und auch keine Zwangsschlichtung durchsetzen. Die Politik kann, falls erwünscht, lediglich versuchen, zwischen den Tarifparteien zu vermitteln – worum sich Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee und die von den Tarifparteien angerufenen Politiker Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler intensiv bemüht haben.
Hintergrund dieses Gebots staatlicher Zurückhaltung ist nach Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in einer Entscheidung zu Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz die auf historischen Erfahrungen beruhende Erkenntnis, dass die Tarifparteien in der Regel eher als der Staat in der Lage sind, den Interessen der widerstreitenden Gruppen und dem Gemeinwohl gerecht werden.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Referat Presse und Kommunikation