Der Betrieb der Plattform wurde eingestellt. Es können daher leider keine weiteren Beiträge veröffentlicht oder bewertet werden. Bereits veröffentlichte bzw. beantwortete Beiträge stehen jedoch auch weiterhin zur Information zur Verfügung.

Beantwortet
Autor Dieter Adler am 09. Juli 2007
19045 Leser · 177 Stimmen (-46 / +131)

Bundestagsabgeordnete

Neuer Wahlmodus für Bundestagswahlen

Hallo,
ich finde es erschreckend, wie die Wahlbeteiligung an den Wahlen allgemein und speziell an den Bundestagswahlen abnimmt.
Aber ist dies nicht auch eine politische Aussage der Nichtwähler, die ihr Missfallen an dem Verhalten und Einsatz der Abgeordneten für die Interessen der Wähler (also auch des gesamten wahlberechtigten Volkes) zum Ausdruck bringt?
Sollten dann nicht auch die "Stimmen" der Nichtwähler in der Besetzung der Mandate zum Ausdruck kommen?
Sollten dann nicht nur so viele Mandate vergeben werden, wie es der Wahlbeteiligung entspricht?
Also bei 80% Wahlbeteiligung werden auch nur 80% der Mandate vergeben.
Es ist mir klar, dass dies ein unbeliebter Vorschlag für die Politiker ist, aber ich denke, dass ein derartiges Verfahren die Bereitschaft der Politiker sich für die Interessen ihrer Wähler einzusetzen erheblich steigern wird.

+85

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
aus dem Bundestag am 02. August 2007
Bundestagspräsident

Sehr geehrter Herr Adler,

der Vorschlag, die Zahl der Nichtwähler durch die Nichtvergabe von Parlamentsmandaten im Deutschen Bundestag zu „repräsentieren“, scheint auf den ersten Blick originell. Unter demokratischen Gesichtspunkten übersieht er jedoch eines: Im Deutschen Bundestag müssen notwendige politische Entscheidungen gefällt werden, gesetzliche Regelungen geändert und neu getroffen werden. Die Geschicke eines Landes lassen sich nicht durch Nichtstun lenken und nicht vergebene Mandate tragen zur Problemlösung sicherlich nichts bei. Eine Kopplung der Zahl der Mandate an den Nichtwähleranteil könnte auch zu extremen Schwankungen in der Größe der Parlamente führen und bei Unterschreiten einer Mindestgröße deren Funktionsfähigkeit ernsthaft beeinträchtigen oder gar grundsätzlich gefährden – etwa dadurch, dass Ausschüsse und internationale Gremien und Delegationen reinzahlenmäßig nicht mehr adäquat besetzt werden könnten.

Selbstverständlich ist eine hohe Wahlbeteiligung bei demokratischen Wahlen wünschenswert und es ist in der Tat erschreckend, wenn – wie zuletzt bei einigen Kommunalwahlen – weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten wählen geht. Die Beteiligung an Bundestagswahlen schwankt in den letzten Wahlperioden um die 80 Prozent und ist damit glücklicherweise relativ konstant geblieben. Weshalb Bürgerinnen und Bürger ihr wichtigstes demokratisches Grundrecht, das Wahlrecht, nicht nutzen, hat sicherlich unterschiedliche Gründe. Wahlverzicht kann z.B. Ausdruck der Unzufriedenheit mit den politischen Zuständen sein, aber auch das Gegenteil, nämlich dass man mit politischen Zuständen grundsätzlich eher zufrieden ist, an konkreten politischen Vorgängen aber eher desinteressiert. Auch Bequemlichkeit, sich der Mühe der politischen Informationsbeschaffung und des Wahlgangs zu unterziehen, kann eine Ursache für den Wahlverzicht sein.

Da es in Deutschland keine Wahlpflicht gibt, müssen sich Bürgerinnen und Bürger nicht dafür rechtfertigen, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen. Umgekehrt müssen sie dann jedoch damit leben, dass sie auf ihren Einfluss auf die Ausgestaltung der Politik freiwillig verzichten. Darüber hinaus steht jedem die Möglichkeit offen, sich selber politisch zu engagieren und zu kandidieren, um für bessere Lösungen zu werben. Ein zwingender Grund dafür, warum Wahlenthaltung in der von Ihnen vorgeschlagenen Form aufgewertet werden soll, kann daher nicht erkannt werden.

Mit freundlichen Grüßen