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Beantwortet
Autor Alfred Mayer am 14. April 2009
11457 Leser · 0 Kommentare

Innenpolitik

Wahlgeheimnis als Schlüssel für eine neue Politikergeneration

Sehr geehrte Frau Bundeskanzler
Viele Entscheidungen der letzten Jahre lassen an der Qualifikation und Auswahl der Regierenden zweifeln.
Das könnte u.a. an der leider nicht demokratisch gehandhabten Auswahl der uns Wählern präsentierten Kandidaten liegen. Nur die können wir ja wählen und nicht die, die wir selbst für die Richtigen halten würden !
Zur Demokratie gehört das Wahlgeheimnis. Nicht nur im öffentlichen Wahllokal (wo es sehr streng zugeht), sondern auch in den Parteien bei der Aufstellung der Kandidaten.

Obwohl jedes Wahlgesetz für die Aufstellungsversammlungen in den Parteien geheime Abstimmung zwingend vorschreibt., findet keine Partei etwas dabei, in enger Sitzordnung die Wahlzettel gleich am Tisch auszufüllen, sodaß die Umsitzenden zuschauen können. Ich kann mir gut vorstellen, daß viele Leser dieser Eingabe an der Richtigkeit dieser Behauptung zweifeln. Aber es ist so, wie Sie selbst wissen werden. Sie waren ja schon oft genug dabei.

Bei den Wahlen selbst müssen Wahlkabinen benutzt werden. Bei Aufstellungsversammlungen ist die Benutzung freiwillig. Wer davon Gebrauch machen würde, wäre schon als Abweichler verdächtig.
Die Folgen des Verzichts auf das Wahlgeheimnis waren in der DDR sichtbar, wie Sie auch aus eigener Erfahrung wissen. Niemand hat sich getraut, in die Wahlkabinen zu gehen.
Die Abstimmung lief fast immer mit 99,999 % zugunsten des bestehenden Machtapparats aus. Die Wahlkabine nutzende Parteimitglieder werden zwar heute nicht mehr anschließend von der Stasi erwartet, der eigenen Parteikarriere ist aber auch heute nicht förderlich, als Querschädel zu gelten.

Wegen der Verletzung des Wahlgeheimnisses läuft ein Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Wäre da nicht angebracht, für die nächsten Wahlen auf die strikte Einhaltung des schon seiner Natur nach unverzichtbaren Wahlgeheimnisses zu sorgen, ehe Wahlen mit hohen Kosten wiederholt werden müssen ?

Ich würde mich freuen, wenn Sie den Parteien ganz konkret vorschlagen würden, die Aufstellungsversammlungen für die nächste Bundestagswahl ebenso geheim abzuhalten wie die Wahlen selbst.
Was bei 60 Millionen Stimmberechtigten geht, müßte mit einigen hundert Delegierten auch möglich sein.

Innerparteiliche Demokratie würde jedem Bürger möglich machen, durch den Beitritt zu einer Partei in der Politik mitreden und mit entscheiden zu können. Auch Idealisten sähen dann einen Sinn in einer Parteimitgliedschaft. Und ich persönlich wünsche mir nur Idealisten in der Politik mindestens so wie bei Lehrern, Ärzten und Krankenschwestern. Ich mag keine Abgeordneten, die sich bei rund 10.000 Euro Monatsgehalt beklagen, nicht so viel zu ergattern wie ein Manager in der Industrie, von denen und ihren Lobbyisten sie tagtäglich umgeben zu sein scheinen.

Heute macht eine Parteimitgliedschaft nur dann Sinn, wenn man persönliche Vorteile erzielen will. Für Idealisten ist kein Platz.

Beste Grüße
(und lieber als der Schröder sind Sie mir schon, obwohl Sie in meinen Augen nicht in der richtigen Partei sind)
Alfred Mayer

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 14. Mai 2009
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Mayer,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Das Grundgesetz sieht vor, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in geheimer Wahl gewählt werden. Das Gebot der geheimen Wahl aus Artikel 38 unserer Verfassung erstreckt sich dabei nicht nur auf die Stimmabgabe an sich, sondern auch auf die die Wahlvorbereitung.

Laut § 17 des Parteiengesetzes muss die Aufstellung von Bewerbern für Wahlen zu Volksvertretungen in geheimer Abstimmung erfolgen. Auch das Bundeswahlgesetz verlangt in § 21 Absatz 3, dass Parteibewerber in geheimer Abstimmung in Parteimitglieder- oder sogenannten Vertreterversammlungen gewählt werden. Schon die Wahl von Vertretern für diese Versammlungen, in denen die Parteibewerber gewählt werden, muss in geheimer Abstimmung erfolgen.

An die Einhaltung dieser Formalien stellt das Bundeswahlgesetz auch strenge Anforderungen. Gemäß § 21 Absatz 6 Bundeswahlgesetz müssen der Leiter der Versammlung und zwei von der Versammlung bestimmte Teilnehmer gegenüber dem Wahlleiter an Eides Statt versichern, dass die Anforderungen des Bundeswahlgesetzes – unter anderem auch die geheime Abstimmung – beachtet worden sind.

Die Missachtung der Wahlrechtsgrundsätze kann schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. So ermöglicht Artikel 41 Absatz 1 Grundgesetz Wahlprüfungen durch den Bundestag. Das Wahlprüfungsgesetz gestattet unter anderem jedem Wahlberechtigten, Einspruch einzureichen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung