Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie sicher aus den Medien erfahren haben, werde ich am 28. August vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Deshalb wird es mir künftig nicht mehr möglich sein, Ihre Fragen an dieser Stelle zu beantworten. Der Bürgerdialog über das Onlineportal direktzu.de hat in den zurückliegenden Jahren eine Vielzahl von Anliegen und Problemen von Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern, thematisiert. Ich habe mich über die anhaltende Resonanz sehr gefreut. Sie dokumentierte Ihr Interesse am Lebensumfeld, aber auch an politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen. Das Portal war für mich wichtiger Anzeiger, welche Sorgen, Probleme oder Anliegen die Menschen im Land bewegen. Es bot die Möglichkeit, politische Bewertungen aus der brandenburgischen Bevölkerung ungefiltert und direkt zu erfahren. Und ebenso offen und geradeheraus habe ich mich stets um Antwort bemüht. Für mich war darüber hinaus entscheidend, dass das Voting-Verfahren den öffentlichen Diskurs bei uns im Land befördert. Fragesteller und auch ich wussten dadurch: Das interessiert Viele!

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihr Vertrauen und die vielen interessanten Fragen und Einschätzungen.

Herzlichst

Ihr

Matthias Platzeck

Beantwortet
Autor Helmut Mencke am 12. Dezember 2007
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Umwelt

Kein Nachtflug in Schönefeld

Guten Tag Herr Platzeck,

an einem Novemberabend sehe ich mich im Kreis der Mitstreiter vor Ihrem Amtssitz in Potsdam. Sechseinhalb Tausend Unterschriften für die Einhaltung des in Leipzig verordneten Nachtflugverbotes am BBI sind mit uns; diese sind für Sie bestimmt.
Allein für Sie haben wir uns auf den Weg gemacht, in Sie haben wir unsere Hoffnung gesetzt:
Vielleicht finden wir ja doch noch einen Menschen an massgeblicher Stelle, dem wir unsere Befürchtungen nahebringen können, der uns wenigstens zuhört, der sich anrühren lässt von der Tiefe unserer Verunsicherung, von der Verstörtheit mit der die Menschen eines ganzen Landstriches einem Handeln zusehen müssen, das sie nicht erwünscht haben, im Gegenteil, das ihnen eine kaltherzige, ignorante politische Entscheidung aufgezwungen hat.

Und diese begründeten Sorgen werden vor Ihnen, Herr Platzeck, mit ruhigen, gesetzten, klaren Worten ausgesprochen.

Es ist unser aller Sprecher, Herr Platzeck, den Sie in Ihrer anschliessenden Entgegnung abwerten.

Zuerst dachte ich: Was für eine Entgleisung, was nimmt sich der Mensch raus, unseren Sprecher derart abzukanzeln, ihn so, vor unser aller Ohren und Augen in Frage zu stellen. Mir wurde dann sehr schnell klar:
Unser Sprecher war ja gar nicht gemeint, wir waren gemeint, uns wollten Sie sagen:
Was denn nun noch, wollt ihr noch keine Ruhe geben? Wir tun doch schon alles für euch, es gibt Gemeindeentwicklungspläne, es gibt Gremien, die sich mit euch befassen, der Flughafen wird unter dem modernsten Lärmschutzgesetz geschaffen, das die Bundesrepublik hat, - ja, was wollt ihr denn noch?

Was wir noch wollen Herr Platzeck?

Wir wollen Sie als einen warmen, blutvollen Menschen erleben, als einen Landesvater, der sich der Furcht seiner ihm anvertrauten Menschen vor einem kalten, alles Mass verlierenden, Geld- und Marktapparat in Schutz nimmt und dieser bedenkenlosen, ausufernden Gestaltungsmaschinerie nicht noch in vorauseilendem Gehorsam alle Türen öffnet.

Womit lassen Sie sich noch anrühren, mit unserem grössten Deutschen, mit J.W. v. Goethe? Erinnern Sie sich?
Faust 2.Teil, 5. Akt, Offene Gegend, Philemon und Baucis, die dreieinigen, gewaltigen Gesellen Raufebold, Habebald, Haltefest = Gewalt, Handel, Piraterie, Faust selbst mit seinem Luginsland?

Mich schaudert bei dem Gedanken an das Gleichnishafte der Goethischen Bilder mit dem, was uns eben hier und heute bewegt.
Nur etwas hat sich verändert, ins Grosse sind sie gewachsen, die beiden Alten. Hunderttausende Menschen sind betroffen, wenn die
dreieinigen, gewaltigen Gesellen in die Erscheinung treten.

Und die treten ungezügelt in die Erscheinung, wenn ihnen keine Grenze gesetzt wird.

Nun zu meiner Frage an Sie Herr Platzeck. Sie wendet sich nicht an Ihren scharfen Verstand. Es ist eine Frage an Ihr Gefühl, an Ihr Herz, an Ihr Gewissen, einem Bezirk in Ihrem Innern, über den Sie Keinem Rechenschaft schuldig sind.

Können Sie sich Ihren ruhigen Nachtschlaf in der Gewissheit vorstellen, dass Sie an der Aufweichung des Nachtflugverbotes für den BBI in irgendeiner Weise beteiligt sind?

Aus meiner Sicht auf die Dinge sind Sie schon dann an der Unterwanderung des Nachtflugverbotes beteiligt, wenn Sie sich gegen diese Bestrebungen nicht zu Wort melden.
Denn Ihre Doppelrolle als unser Ministerpräsident und als Gesellschafter des BBI könnte Sie dazu verführen, sich zu dem Nachtflugverbot nicht zu äussern und das Übrige den „dreieinigen, gewaltigen Gesellen“ zu überlassen. Ihre heftige Erwiederung während der Unterschriftenübergabe am 22. November elebte ich als kein gutes Zeichen.

Mit freundlichem Gruß,
Helmut Mencke

+321

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Antwort
von Matthias Platzeck am 13. Februar 2008
Matthias Platzeck

Sehr geehrter Herr Mencke,

Sie haben recht, die Frage des Lärmschutzes und der Nachtflüge ist eine, die viele Menschen im Umfeld des künftigen Flughafens Berlin Brandenburg International bewegt. Und Sie können sicher sein, dass ich mir der Bedeutung dieser Probleme sehr wohl bewusst bin. Lassen Sie mich Ihnen meine persönlichen Gedanken darlegen:

Seit ich nach 1990 in politische Funktionen gewählt worden bin, lebe und arbeite ich in wachsendem Maße mit der Erkenntnis, dass Politik es selten allen recht machen kann.

Ich habe als Umweltminister mit dafür eingestanden, dass wir tausende Einwohner unserer Städte und Gemeinden vom Durchgangsverkehr entlasten, obwohl wir dafür kostbare Natur in Anspruch nehmen mussten und selbst eine vermeintlich ideale neue Straßenführung in der Regel Belastungen für Menschen mit sich bringt.

Ich habe als Oberbürgermeister von Potsdam Bildungseinrichtungen schließen müssen, weil die Kosten für die liebgewonnene Schule um die Ecke angesichts des Geburtenknicks nach der Wende schlicht und einfach nicht mehr zu bezahlen waren.

Und ich stehe jetzt als Ministerpräsident zu einer Finanzpolitik, die den Haushalt konsolidiert und damit unseren Kindern und Kindeskindern staatliche Handlungsspielräume bewahrt, auch wenn das heute beispielsweise von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes zum Teil schmerzhafte Opfer abverlangt. Keine solcher Entscheidungen fällt einem dafür Verantwortlichen leicht. Aber jede muss nach sorgfältiger Abwägung getroffen werden. Nur so erweist sich unser Gemeinwesen als handlungsfähig und entspricht der Erwartung seiner Bürger. Sicher, manche Entscheidung wird einer zusätzlichen Überprüfung durch die Justiz unterzogen, weil Bürgerinnen und Bürger ihr Recht bis zur letzten Instanz wahrnehmen. So war und ist es im Falle des BBI.

Das Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts stand am Ende eines langen rechtsstaatlichen Planverfahrens und eines der größten Verwaltungsgerichtsprozesse in der deutschen Rechtsgeschichte. Ich bin davon überzeugt, dass es eine tragfähige Abwägung zwischen den Interessen der Menschen nach einer aufstrebenden wirtschaftlichen Entwicklung und mehr Beschäftigung einerseits und den Befürchtungen hinsichtlich von Lärm andererseits darstellt. Seien Sie gewiss: Das Land Brandenburg wird sich an dieses Urteil akribisch halten, genau wie die anderen Gesellschafter der Flughafengesellschaft – der Bund und das Land Berlin. Von einer Aufweichung kann keine Rede sein. Nebenbei wissen Sie, sehr geehrter Herr Mencke, sehr genau, dass ich in ein laufendes Verfahren nicht eingreifen kann und dies auch nicht tun werde.

Die Entscheidung zu den Nachtflügen wie zum gesamten Flughafenbau in Schönefeld ist also kein Ergebnis von „dreieinigen, gewaltigen Gesellen“, sondern Ergebnis rechtsstaatlichen Handelns. Ich – aufgewachsen in der DDR– bin mir dieser Errungenschaft auch 17 Jahre nach dem Einzug von Demokratie und Bürgerrechten bei uns immer noch voll bewusst.

Mit freundlichem Gruß

Matthias Platzeck