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Beantwortet
Autor Wolfgang Mücke am 18. Februar 2014
13004 Leser · 8 Kommentare

Die Kanzlerin direkt

Demokratie in der EU

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

demnächst sind wieder Wahlen zum europäischen Parlament.

Leider gilt dort nicht das anerkannte demokratische Prinzip "one man one vote" - oder JEDER hat eine gleichberechtigte Stimme.

Die Stimme eines Maltesers gilt - als Extremfall - etwa 10 Mal so viel wie die Stimme eines Deutschen.

Das wäre in etwa so, als wenn bei deutschen Bundestagswahlen die Stimme eines Bremers 10 Mal so viel gelten würde wie die Stimme eines Nordrhein-Westfalen.

Darf der "Minderheitenschutz" einen der wichtigsten Grundsätze der Demokratie außer Kraft setzen?

Würden Sie sich in der EU dafür einsetzen, die augenblickliche Regelung auf Dauer in Richtung einer echten demokratischen Abstimmung zu ändern?

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Wolfgang Mücke

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 24. März 2014
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Mücke,

vielen Dank für Ihre Frage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Die Europäische Union (EU) lebt von der Vielfalt Europas. Alle Länder sollen sich in dieser Gemeinschaft wiederfinden. Außerdem ist die EU – anders als die Vereinigten Staaten von Amerika – kein Bundesstaat.

Deutschland und die anderen EU-Länder haben zwar Kompetenzen und Hoheitsrechte an die EU abgetreten, bleiben aber weiterhin souveräne Staaten. Deshalb gibt es keine europaweite Aufteilung der Wahlkreise. Die Mitgliedstaaten entscheiden darüber, welches Wahlrecht zur Anwendung kommt. Auch die Rechte des Europaparlaments reichen nicht so weit wie die des Deutschen Bundestages. Das Europaparlament kann beispielsweise keine Gesetzesentwürfe einbringen.

Die Abgeordnetenzahl des Europäischen Parlaments ist auf 751 begrenzt. Jeder Mitgliedstaat stellt mindestens sechs und höchstens 96 Abgeordnete. Das ist im Vertrag über die Europäische Union geregelt. Dabei gilt das Prinzip der sogenannten degressiven Proportionalität. Das heißt: Größere Länder haben grundsätzlich mehr Abgeordnete als kleinere, kleinere Länder jedoch mehr Abgeordnete pro Einwohner als größere.

Deshalb wird Deutschland nach der nächsten Europawahl mit 96 Abgeordneten im Europaparlament vertreten sein. Kleinere Staaten wie Luxemburg oder Malta können dagegen nur jeweils sechs Abgeordnete nach Straßburg entsenden.

Wenn Europa noch enger zusammenwächst, wird sich die Frage nach europaweiten Wahlkreisen und einem einheitlichen Wahlrecht stellen. Erst dann kann sich auch das Prinzip durchsetzen, dass jeder Wahlberechtigte das gleiche Stimmgewicht besitzt.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (8)Schließen

  1. Autor Erhard Jakob
    am 21. Februar 2014
    1.

    Wolfgang,

    die Behauptung, dass die Stimme eines Maltesers
    10 Mal mehr wert ist, als die Stimme,
    eines Deutschen, bedarf
    der Aufklärung.
    .
    Ist dann auch die Stimme eines Wählers aus Mecklenburg-
    Vorpommern auch 2 Mal mehr wert, als die Stimme
    eines Bayern?

  2. Autor Wolfgang Mücke
    am 22. Februar 2014
    2.

    Hallo, Hr. Jacob,
    ich habe der Einfachheit halber einfach aus Wikipedia kopiert
    http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4isches_Parlament

    Größere Staaten haben grundsätzlich mehr Abgeordnete als kleinere Staaten, allerdings haben kleinere Staaten mehr Abgeordnete pro Einwohner als größere Staaten. Dieses Prinzip wird als „degressive Proportionalität“ bezeichnet. ... Nach dem im Vertrag von Lissabon ausgehandelten Schlüssel bilden dabei Deutschland als das bevölkerungsreichste und Malta als das bevölkerungsärmste Land der EU die Extremfälle: So entfallen auf Deutschland (80,3 Mio. Einwohner) 99 Sitze, d. h. ein Sitz auf 811.000 Einwohner, auf Malta (0,4 Mio. Einwohner) 6 Sitze, d. h. ein Sitz auf 67.000 Einwohner.
    ____

    Das wäre sogar ein Faktor 12 (811.000 zu 67.000).

    Bei allen deutschen Bundestagswahlen, Landtagswahlen oder Kommunalwahlen ist natürlich jede Stimme dasselbe wert. Da gibt es keine „degressive Proportionalität“. Die degressive Proportionalität ist absolut undemokratisch. Das ist meine Kritik und meine Bitte an die Kanzlerin, das zu ändern.

  3. Autor Helmut Krüger
    am 26. Februar 2014
    3.

    Ich empfinde die besagte degressive Proportionalität oder besser und treffender gesagt, dass nicht einfach die Größeren über die Kleineren bloß aufgrund der höheren Zahl herrschen, als das wunderbarste Prinzip der EU, was sie zustande gebracht hat.

    Damit liege ich gewiss quer zu Ihrer Aufassung, Herr Mücke.

    Dies sage ich deshalb so, weil ich meine, dass schon viel zu viel rein nach rechnerischen Prinzipien allein aufgrund der höheren und niedrigeren Zahl entschieden wird, vorab bereits nach Linie, nicht aber hinterher als Notnagel, weil wir uns anders nicht einig geworden sind.

    Wenn es ein verheerendes demokratisches Defizit gibt - und da stimme ich Ihnen vollkommen zu - dann liegt es m. E. darin, dass nicht die direkt gewählten Vertreter der Bevölkerung, sondern die Abgesandten der Abgesandten der Abgesandten die maßgeblichen Dinge in der EU beschließen, wobei jeder Delegationsschritt insofern eine Demokratieminderung dastellt, dass die Wahlbevölkerung hierauf keinerlei Einfluss nehmen kann.

    In diesem Sinne hat auch das BVerfG vor Jahren entschieden, als sie dem Deutschen Bundestag einen Rüffel wegen dessen Selbstentmündigung hinsichtlich der Kompetenzverlagerung hin zu den EU-Gremien gab.

    Allerdings ist es mit der Souveränität des Deutschen Bundestages auch nicht weit her, solange eben 90 % das genauso beschlossen haben, wie es dann hinterher kassiert wurde und auch die Formulierung, dass Gesetzentwürfe aus der Mitte des Parlamentes kommen. angesichts der üblichen Regierungsvorlagen zu einem reinen Placebo verkommen ist.

  4. Autor Wolfgang Mücke
    am 28. Februar 2014
    4.

    Wenn die Region Deutschland nicht als 1 Staat, sondern mit 16 Staaten (den Bundesländern) in der EU antreten würde, hätte diese Region viel mehr Abgeordnete im Europäischen Parlament. Allein Bremen, das genauso viele Einwohner hat wie Malta, würde mit 5 Abgeordneten antreten. Unter dem Dach Deutschlands schafft Bremen nicht einen einzigen Abgeordneten. Das kann doch niemand als demokratisch und gerecht empfinden.
    Eigentlich müssten zur Wahl des europäischen Parlaments europäische Parteien antreten und die Parteien wären dafür verantwortlich, auch Kandidaten aus kleinen Ländern einen guten Listenplatz zu geben.

  5. Autor Helmut Krüger
    am 07. März 2014
    5.

    Ganz sachlich und nüchtern glaube ich, dass hinsichtlich der Letztentscheidung zwei recht verschiedenen Vorstellungen über die Demokratie existieren.

    Die eine, dass die (bloße) Mehrheitsentscheidung das maßgebliche Entscheidungskritierium ist. Von dieser Warte erscheint die "Bevorzugung" kleiner Gruppen in der Tat undemokratisch.

    Die andere, dass Demokratie weitaus mehr ist, als dass bloß nach Mehrheit faktisch durchgestimmt wird, es also auf angeblich zu vernachlässigende oder kaum ins Gewicht fallende Gruppen gar nicht ankäme.

    Die erste Verfahrungsweise will ich mal als quantitativ orientierte bezeichnen, weil die reine Zahl das entscheidende Kriterium ist. Die andere Verfahrungsweise will ich als die qualitativ orientierte bezeichnete, weil die Zahl ein bloßes Hilfsmittel ist, mit dem Preis, dass Mehrheiten auch mal zurückstehen müssen.

    Ich bin ganz klar ein Vertreter der zweiten Verfahrensweise. Und wenn nur 1.000 eine Sprache sprechen, so gehört sie als Kulturgut anerkannt und auch gefördert, selbst wenn das alle Proportionen der sonstigen Förderungen aus den Angeln hebt.

  6. Autor Wolfgang Mücke
    am 10. März 2014
    6.

    Die Tür zur Bevorzugung kleiner Gruppen im Wahlrecht darf man gar nicht öffnen. Soll die Stimme eines über 90-jährigen mehr zählen, als die Stimme eines 50-jährigen. Soll die Stimme eines Millionärs mehr zählen als die Stimme eines normalen Arbeitnehmers. Soll die Stimme eines Hindus mehr zählen als die Stimme eine Moslems und die mehr als die Stimme eines Christen. Minderheiten mehr Stimmrecht als der Allgemeinheit einzuräumen führt ins Chaos.

    Dass jede Stimme gleich zählt ist eine Basis der Demokratie.

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