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Beantwortet
Autor Andreas Schön am 11. Februar 2013
12731 Leser · 5 Kommentare

Soziales

Rechtsprechung

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

seit einiger Zeit bekomme ich in den Medien diverse Fälle mit, bei denen es mich in Sachen Rechtsprechung vom Stuhl haut.

Aufmerksam geworden bin ich durch einen Fall, bei dem ein Pizzakurier mit überhöhter Geschwindigkeit einen 7-jährigen Jungen vor den Augen der Mutter totfuhr. Der Fahrer bekam eine Strafe von 4500 €, die er in 150 Tagen a 30 Euro an die Mutter des Jungen zahlen sollte. Sogar seinen Führerschein darf er behalten. Da frage ich mich: Ist das wirklich gerecht? Auf der einen Seite wird ein Leben genommen, was bei den Familienangehörigen wohl unfassbar schmerzhafte Erinnerungen hinterlässt.
Auf der anderen Seite steht im Gesetz, dass jemand, der z.B. gegen Urheberrechte verstößt und sich illegalerweise ein paar Filme runterlädt, bis zu 5 Jahren Haft verurteilt werden kann.
In einem anderen Fall, der mich erschütterte, traten zwei türkische Jugendliche auf einen Mann ein, bis er starb. Und das nur, weil er ihnen keine 20 Cent geben wollte, die sie von ihm verlangten. Bei einem der Täter wurde die Strafe von 3 Jahren und 4 Monaten auf 2 Jahre Haftstrafe verkürzt, da das Gericht die Bestrafung zu hart befand. Man könnte noch mehr aufzählen, aber ich habe nicht viele Wörter zur Verfügung.

Meine Frage: Warum ist es so schwer, das Strafmaß für solche Taten zu erhöhen? Weswegen können Strafen nicht ein wenig subjektiver verhängt werden? Ich würde alles dafür tun, etwas zu verändern. Aber wie?

Ich würde mich über eine Antwort sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Schön

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 15. März 2013
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Schön,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist ein Grundrecht und wird durch unser Grundgesetz geschützt. Deshalb geht der Rechtsstaat entschlossen gegen jegliche Art von Gewalt vor.

Das spiegelt sich auch im deutschen Strafgesetzbuch wider. Bei Mord und Totschlag droht eine lebenslange Freiheitsstrafe, die höchste Strafe des deutschen Strafrechts. Wer zu lebenslanger Haft verurteilt ist, kann frühestens nach 15 Jahren eine vorzeitige Haftentlassung beantragen. Darüber entscheidet dann ein Gericht.

Bei besonderer Gefährlichkeit eines Straftäters kann das Gericht unter be- stimmten Voraussetzungen auch die anschließende Sicherungsverwahrung in einer entsprechenden Anstalt anordnen.

Die konkrete Freiheitsstrafe setzen die Strafgerichte unparteiisch und unabhängig fest. Das ist Ausdruck einer funktionierenden Demokratie und wesentlicher Bestandteil eines jeden Rechtsstaates. Wir bitten daher auch um Verständnis, dass wir nicht zu einzelnen Urteilen Stellung nehmen.

In ihrer Urteilsfindung haben die Richter alle Umstände gegeneinander abzuwägen, die für und gegen den Täter sprechen. Dazu gehören die konkreten Umstände der Tat wie auch das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen.

Die Strafzumessung bei minderjährigen Straftätern und Heranwachsenden richtet sich nach Regeln des Jugendgerichtsgesetzes. Um die Jugend- kriminalität in Zukunft wirksamer zu bekämpfen, ist das Jugendstrafrecht im vergangenen Jahr in einigen Punkten verschärft worden. Das Höchstmaß einer Jugendstrafe für Heranwachsende bei Mord beträgt jetzt 15 Jahre. Außerdem ist der sogenannte Warnschussarrest eingeführt worden.

Mehr Informationen zu den gesetzlichen Regelungen:

http://www.gesetze-im-internet.de/stgb/

http://www.gesetze-im-internet.de/jgg/index.html

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2012/04/...

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Kommentare (5)Schließen

  1. Autor Helmut Krüger
    am 13. Februar 2013
    1.

    Sehr geehrter Herr Schön,

    ich bin kein Jurist, allenfalls zehre ich etwas von einigen wenigen "juristischen Begleitausflügen", sprich Einzelseminaren vor gut vier Jahrzehnten. Allerdings hat mir das geholfen, eine bestimmte juristische Logik nachvollziehen zu können, auch wenn ich persönlich sie oft nicht teile. Vor diesem Hintergrund bin ich "verleitet", per Kommentar meine Sichtweise hierzu abzugeben.

    Was ich verstanden habe und was ich grundsätzlich teile, ist die getroffene Unterscheidung nicht nur nach Schwere des Delikts, sondern auch nach der Motivation beim Delikt. Kurzum: Es wird nicht nur geschaut, was jemand getan hat und daraus dann das Strafmaß ermittelt, sondern es wird geschaut, aus welcher Situation heraus er es getan hat.

    Ein planmäßig ausgeführter eiskalter Mord wird ganz anders bestraft als wenn Menschen aus der Situation heraus jemand umbringen und noch einmal anders wird jemand bestraft, der den Tod überhaupt nicht absehen konnte, der das Vergehen beging, sich außer Lage zu versetzen, rechtzeitig zu halten.

    In allen drei Fällen werden Menschen nicht lebendig, doch darum, Menschen lebendig zu machen, kann es nicht gehen, nur darum, dass sich diese Taten möglichst nicht wiederholen.

    Wer einen eiskalt geplanten Mord begeht, begeht ihn ohne mit der Wimper zu zucken, wieder. Wer eine Tötung im Affakt begeht, ist am besten anderweitig beschäftigt, dass er künftig nicht Scheiße baut und bei jemanden, der sich als verlängerter Arm einer überdrehten Zeitkalkulation versteht, muss diese Zeitkalkulation verändert wreden. Bei den einschlägigen Firmen mit ihren haltlosen Versprechungen und bei den Kunden, die bestellen auch.

  2. Autor Andreas Schön
    Kommentar zu Kommentar 1 am 15. Februar 2013
    2.

    Dennoch verliert ein Mensch sein Leben! Und auch wenn es nicht im Sinne des Täters war, dass sein Opfer den Tod erleiden solle, so gehört schon einiges an Gewalt dazu, dass das Opfer dann doch sterben muss. Mit einem schnellen Hieb auf's Nasenbein ist dies noch lange nicht getan.

    Es gehört schon weit aus mehr dazu, dem Opfer die Möglichkeit zu nehmen, weiterzuleben. Und diese Dinge werden einfach nicht ausreichen bestraft! Völlig egal, ob nun Absicht oder nicht. Je härter die Strafe, desto konsequenter die Lektion.
    Und bei meinem oben genannten Beispiel, in dem die Täter den Mann wegen ein paar Cent zu Tode traten... Da kann mir keiner erzählen, dass dies im Affekt geschah. Also bitte!
    Die Täter hatten nur Lust, jemanden zu verprügeln. Und wegen der Folgen sollten sie eindeutig härter zur Rechenschaft gezogen werden!

    ... Richtig?

  3. Autor Helmut Krüger
    am 15. Februar 2013
    3.

    Geehrter Herr Schön,

    da sind wir eindeutig sehr verschiedener Auffassung. Es ist keineswegs egal, ob es Absicht war oder gar von langer Hand geplant oder ob es im Affekt geschah. Genau diese Differenzierung, die unsere Rechtsprechung vornimmt, sprich: die MOTIVE des Täters genauso mit einzubeziehen wie die Schwere der Tat an sich, genau diese Differenzierung betrachte ich als ungeheuren Fortschritt gegenüber Zeiten, wo dies nicht so war und gegenüber Ländern, in denen anderes praktiziert wird.

    Um es etwas größer aufzuziehen:
    Das ist der Unterschied zwischen dem Alttestamentarischen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" und dem sehr humanen Gedanken Kaiser Justinians, eben nicht nur nach der Tat an sich, sondern nach dem Umfeld und den Motiven des Täters zu suchen.

    Jedem das Seine.
    Dieser Spruch ist ja furchtbar pervertiert worden. Ursprünglich meinte er folgendes: Schaue nach den jeweils verschiedenen Umständen. Das hat nichts mit Bagatellisierung zu tun, als was es behaupteterweise erscheinen mag, das dient schilchtweg dazu, dass sich das möglichst nicht wiederholt.

    Nur darum kann es gehen, Leben künftig zu schützen, nicht darum, physikalisch Unmögliches möglich zu machen und jemanden zum Leben zu erwecken.

  4. Autor Helmut Krüger
    am 15. Februar 2013
    4.

    Ergänzung:
    Ich widerspreche Ihrer Auffassung, dass es auf die Höhe des Strafmaßes ankäme, weil ich der Auffassung bin, dass es auf eine möglichst unverzügliche Ahndung drauf ankommen muss in dem Fall, den Sie genannt haben.

    Hier muss Resozialisierung und Repression, also konsequente Ahndung Hand in Hand gehen, anstatt dass Jahre ins Land gehen, dass die ggf. gar nicht mehr wissen, wofür und warum sie eigentlich verurteilt werden.

  5. Autor Andreas Schön
    am 18. Februar 2013
    5.

    Ich finde, dass man da einen Mittelweg finden, sich Gedanken machen und dieses Thema neu aufrollen sollte.

    Nun ja. Ich danke Ihnen für ihre Zeit, Herr Krüger, doch ich bin nach wie vor anderer Meinung.

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