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Beantwortet
Autor Jerko Usmiani am 27. Mai 2008
14082 Leser · 0 Kommentare

Innenpolitik

Unabhängigkeit der höchsten deutschen Richter

Sehr geehrte Frau Merkel,

als nur einer von vielen deutschen Juristen mache ich mir schon seit geraumer Zeit Gedanken über die Qualität und die Kontinuität deutscher Rechtssprechung Gedanken.

Vieles wird m.E. seitens der Rechtssprechung seit Jahren nicht mehr ausreichend behandelt.

Daher meine Frage an Sie: Halten Sie es heute noch für zeitgemäß, dass die höchsten Richter des Landes von Politikern bestimmt werden anstatt von deren eigenen Kollegen = Richtern ?

Wäre es im Sinne der grundgesetzlich verbrieften Teilung der Gewalten - und auch im Sinne derer Unabhängigkeit von den anderen Gewalten - nicht besser, die Richter selbst diejenigen küren zu lassen, die diese selbst für die besten ihres Faches erachten ?

Viele Grüße

Jerko Usmiani

Antwort
im Auftrag der Bundeskanzlerin am 26. Juni 2008
Angela Merkel

Sehr geehrter Herr Usmiani,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die wir im Auftrag der Bundeskanzlerin beantworten.

Das Grundgesetz nennt in Artikel 95 Absatz 1 als oberste Gerichtshöfe den Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, den Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht. Absatz 2 dieses Grundgesetzartikels bestimmt zur Richterwahl:

"Über die Berufung der Richter dieser Gerichte entscheidet der für das jeweilige Sachgebiet zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuss, der aus den für das jeweilige Sachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die vom Bundestage gewählt werden."

Das Richterwahlgesetz regelt dazu die Details. So ist beispielsweise zu jeder vorgeschlagenen Kandidatin und jedem vorgeschlagenen Kandidaten vor der Wahl im Richterwahlausschuss die Präsidentin oder der Präsident des jeweiligen obersten Gerichts anzuhören, an das die Bewerberin oder der Bewerber berufen werden soll. Das Richterwahlgesetz finden Sie hier:

http://www.gesetze-im-internet.de/riwg/index.html

Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber sind dabei die entscheidenden Voraussetzungen für die Auswahl. Ob sie eingehalten wurden, können Konkurrenten gerichtlich überprüfen lassen. Ihnen als Jurist sagen dabei die Fachbegriffe auch sicher etwas: Die Berufungsentscheidung ist ein mehrstufiger Verwaltungsakt, bei dessen Anfechtung inzident auch die Wahlentscheidung des Richterwahlausschusses überprüft werden kann.

Sie sehen: Es gibt klare Vorgaben und ein relativ komplexes Zusammenwirken der Exekutive mit der Legislative, um die Bundesrichter zu berufen. Ihre Annahme, dass die Richter einfach von Politikern bestimmt werden, trifft also nicht zu.

Das von Ihnen vorgeschlagene Verfahren, wonach sich die obersten Bundesrichter ihre Kolleginnen und Kollegen alleine aussuchen dürften, scheint demgegenüber keine Vorteile zu haben. Es wäre auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Unsere Verfassung garantiert in Artikel 97 im Übrigen die Unabhängigkeit der Richter.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung