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Beantwortet
Autor Christian Vogt am 23. September 2008
14877 Leser · 341 Stimmen (-6 / +335)

Sonstiges

Artikel 146 GG - Verfassung

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,
im Grundgesetz ist im Artikel 146 vorgesehen, dass das deutsche Volk eine Verfassung in freier Entscheidung beschließt.
Nach 18 Jahren deutscher Einheit ist das Grundgesetz ein "Dauerprovisorium" geworden. Der "Souverän", das Volk, hat weder das Grundgesetz in eine Verfassung überführt, noch eine geänderte Verfassung beschlossen. Das wird über Kurz oder Lang demokratietheoretische Fragen nach der Legitimität und letztlich sogar nach der Legalität des Deutschen Bundestages aufwerfen.
Offensichtlich kannten die Väter des Grundgesetzes den Unterschied zwischen einem Grundgesetz und einer Verfassung und auch der Gesetzestext in Artikel 146 spricht eine sehr klare Sprache, ohne allerdings einen zeitlichen Rahmen zu setzen:
"Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."
Wenn also nach 18 Jahren noch immer keine Verfassung, die vom Volk beschlossen worden ist, bitte ich Sie, mir Ihre Vorstellungen über einen Zeitplan auf dem Weg zu einer vom Volk beschlossenen Verfassung mitzuteilen.
Mit freundlichen Grüßen nach Berlin
Christian Vogt

+329

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Antwort
aus dem Bundestag am 15. Dezember 2008
Bundestagspräsident

Sehr geehrter Herr Vogt,

als Deutschland nach der Kapitulation 1945 geteilt war, sollte die Verfassung des freien, westlichen Teils nicht den Eindruck erwecken, als wäre sie eine endgültige, die die Teilung festschreibt. Der Begriff Grundgesetz betonte den offenen, provisorischen Charakter. Ausgearbeitet wurde das Grundgesetz vom Parlamentarischen Rat, einer von den elf Landtagen in den drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands gewählten Versammlung. Das Grundgesetz wurde von den drei Westmächten genehmigt und von den Landtagen in den westlichen Besatzungszonen ratifiziert.

Im Zuge der Wiedervereinigung stellte sich die Frage, ob diese auf dem Weg eines Beitritts nach dem damaligen Art. 23 des Grundgesetzes erfolgen sollte oder ob es einen Verfassungsbeschluss im Sinne von Art. 146 des Grundgesetzes geben sollte. Aus unterschiedlichen Gründen, die nicht zuletzt in der Beschleunigung des Vereinigungsprozesses lagen, wurde der erstgenannte Weg beschritten. Auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung wurde verzichtet, die notwendigen Veränderungen wurden im Rahmen des Grundgesetzes vorgenommen.

Damit ist das Grundgesetz zu einer gesamtdeutschen Verfassung geworden. Die Beibehaltung der ursprünglichen Bezeichnung "Grundgesetz" ist historisch bedingt und lässt sich auch als Respekt vor der Arbeit des Parlamentarischen Rates deuten. Gewiss konnte das Grundgesetz ursprünglich nur ein Provisorium sein, weil es zunächst lediglich für den westlichen Teil Deutschlands Geltung beanspruchen konnte; heute ist es aber die unbestrittene Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft ganz Deutschlands.

Eine ganz ähnliche Frage haben wir bereits im Juli 2007 beantwortet; Frage und Antwort sind nachzulesen unter

http://www.direktzu.de/bundestagspraesident/messages/12573

Mit freundlichen Grüßen

Abteilung Presse und Kommunikation