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Beantwortet
Autor Wolfgang Teuber am 28. März 2008
9562 Leser · 361 Stimmen (-2 / +359)

Deutscher Bundestag allgemein

Alle fünf Jahre Wählen

Sehr geehrter Herr Dr. Lammert,

vor kurzem haben Sie vorgeschlagen, die Wahlperioden für den Bundestag auf fünf Jahre auszuweiten. Außerdem sollten verschiedene Wahltermine zusammengelegt werden.

Sie haben in diesem Zusammenhang das Argument angeführt, dass häufige Wahlen zu einer Politikverdrossenheit führen. Diese Aussage überrascht mich ehrlich gesagt sehr, und ich würde gerne wissen, auf welchen Erkenntnissen Sie diese begründen.

Meiner Ansicht nach, ist es vielmehr die Einschätzung selbst wenig Einflussmöglichkeiten zu haben, die zu Politikverdrossenheit und geringen Wahlbeteiligungen führt. Eine weitere Beschneidung dieser Beteiligungs- oder Mitspracherechte wird diese Empfindung nur verstärken. Eine stärkere Orientierung an Praktiken und Prinzipien direkter Demokratie erscheinen mir hier erfolgversprechender.

Über eine Erklärung und Begründung Ihres Vorschlags würde ich mich freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Teuber

+357

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Antwort
aus dem Bundestag am 30. Mai 2008
Bundestagspräsident

Sehr geehrter Herr Teuber,

als am vergangenen Sonntag Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein waren, beteiligten sich gerade einmal 49,5 Prozent der Wähler – ein neuer Tiefststand. Eine sinkende Wahlbeteiligung gibt es auch bei anderen Wahlen, und ein Grund dafür dürfte sein, dass es in Deutschland mehr Wahlen gibt als in jedem anderen europäischen Land. In Deutschland werden Parlamente auf kommunaler Ebene, auf Landes- und Bundesebene gewählt. Dazu gibt es zum Teil auch noch gesonderte Wahlen für Oberbürgermeister oder Landräte und – nicht zu vergessen – die Wahl zum Europäischen Parlament. Kurz: Deutschland wählt praktisch ständig. Das hat Folgen: Erstens macht sich ein gewisser Überdruss bei den Wählern breit, wenn sie in kurzen Abständen zu den Urnen gerufen werden. Zweitens wird in Deutschland praktisch immer irgendwo Wahlkampf geführt, wodurch die Kontinuität der politischen Arbeit immer wieder unterbrochen wird.

Mehr Zeit für die kontinuierliche politische Arbeit – darum geht es auch Bundestagspräsident Prof. Dr. Lammert für den Bundestag, wenn er für eine Verlängerung der Wahlperiode auf fünf Jahre plädiert. Bei der Bundestagswahl 2005 war wieder einmal zu beobachten, dass es beachtliche Zeit dauern kann, bis eine Koalition gebildet und eine Regierung ins Amt gewählt und voll funktionsfähig ist. Der nächste Wahlkampf wirft dann erfahrungsgemäß schon ein Jahr vor Ablauf der Legislaturperiode seine Schatten voraus. Im Grunde ist die Arbeit von Parlament und Regierung also nur in den beiden mittleren Jahren der Legislaturperiode vom Wahlkampf unbeeinträchtigt, so dass eine fünfjährige Legislatur einen erheblichen Zuwachs an operativer Gestaltungszeit bringen würde. In der gewonnenen Zeit ließen sich komplexe Gesetzesprozesse und größere Reformvorhaben effektiv umsetzen, was sehr im Sinne der Bürger sein dürfte und die Chancen verbesserte, dass die Wähler die Wirkung neuer Gesetze an den Ansprüchen derjenigen Politiker messen können, die diese Gesetze auch verabschiedet haben.

Fünfjährige Wahlperioden sind übrigens so ungewöhnlich nicht. Es gibt sie bei der großen Mehrheit der Bundesländer, bei einer Reihe unserer Nachbarstaaten sowie bei den Wahlen zum Europäischen Parlament – mit durchweg guten Erfahrungen. Wenn auch der Bundestag eine fünfjährige Legislaturperiode hätte, könnten Wahltermine übrigens leichter gebündelt werden. Außerdem würde einer ständigen Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat entgegengewirkt. Für eine solche Verlängerung der Wahlperiode bedürfte es allerdings einer Grundgesetzänderung und damit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Eine in dieser Legislaturperiode beschlossene Verlängerung könnte selbstverständlich ohnehin nicht für die laufende, sondern erst für die nächste Wahlperiode gelten.

Mit freundlichen Grüßen

Abteilung Presse und Kommunikation