Sehr geehrte Frau Hoenisch,
vielen Dank für Ihre grundlegenden Anmerkungen zur Bildungspolitik.
Zu Ihren Anregungen darf ich Ihnen folgende Rückmeldung geben:
1.) Verlängerung der Grundschulzeit auf 6 Jahre
Dieses Modell ist in mehreren Bundesländern eingeführt worden. Nicht zuletzt die Ergebnisse der letzten Grundschulstudie des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), einer Einrichtung der Humboldt-Universität Berlin, zeigen, dass eine verlängerte gemeinsame Grundschulzeit keine positive Auswirkung auf die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler hat. Im Gegenteil liegen Schülerinnen und Schüler aus Berlin, einem Bundesland mit sechsjähriger Grundschulzeit, in ihren Leistungen hinter hessischen Schülerinnen und Schülern.
Neben dem Leistungsniveau ist aber für die Hessische Landesregierung auch entscheidend, was Eltern und Lehrer für das jeweilige Kind als die individuell am besten geeignete Schulform ansehen. In unserem Bundesland existiert eine breite Palette an Schulformen, die den unterschiedlichsten Anforderungen, Begabungen und Vorstellungen gerecht werden. Je früher die Eltern die Wahlmöglichkeit für die weitere Ausbildung ihres Kindes haben, desto besser werden die Entwicklungs- möglichkeiten des einzelnen Kindes gefördert. Daher ist die gemeinsame Grund- schulzeit auf vier Jahre beschränkt.
2.) Maximale Klassengröße von 20 Schülerinnen und Schülern
Guter Unterricht und gute Lernergebnisse stehen nicht unbedingt in direktem Zu- sammenhang zur Klassengröße. Dennoch ist es ein Ziel der hessischen Landes- regierung, die Anzahl der Schülerinnen und Schüler in einer Lerngruppe zu be- grenzen.
Beginnend bei den Eingangsklassen in allen Schulformen sind die Klassen- höchstgrenzen seit dem Schuljahr 2009/2010 stufenweise zurückgefahren worden. Die Reduzierung der Klassengröße ergibt sich durch die Abschaffung der so- genannten „Sternchenregelung“, wonach die Höchstzahl der Schülerinnen und Schüler einer Klasse um bis zu 10% erhöht werden darf.
Zu Beginn des Schuljahrs ist hessenweit in der Grundschule in allen Jahrgängen die „Sternchenregelung“ abgeschafft worden. Somit ist in den Grundschulen eine Höchstgrenze von 25 Schülerinnen und Schülern festgelegt, von der die Schulen aber auch nach unten abweichen können, wenn ihr Konzept dies vorsieht. Hierfür können sie die ihnen zugewiesenen Wochenstunden verwenden. Im Durchschnitt liegt daher in Hessen die Klassengröße in Grundschulen sogar unter der von Ihnen vorgeschlagenen Zahl von 20 Schülerinnen und Schülern.
In den weiterführenden Schulen gilt die „Sternchenregelung“ nur noch in den Jahrgängen 9 und 10, dies wird aber in den nächsten beiden Schuljahren ebenfalls abgeschafft sein. Bis zu diesem Schuljahr wurden in die Klassen- verkleinerung rund 880 Stellen investiert, mit dem laufenden Schuljahr werden es 1.170 Stellen sein. Hierdurch wurden die pädagogischen Rahmenbedingungen für einen qualitätsvollen Unterricht weiter verbessert.
3.) Einführung von G8 durch Straffung der Oberstufe
Die vorliegenden Leistungsvergleiche zwischen den G8 und G9 Jahrgängen zeigen in Hessen, dass keine signifikanten Leistungsdifferenzen zwischen den Schüler- gruppen bestehen. Insofern ergibt sich keine Notwendigkeit für Änderungen, die über die angekündigte Möglichkeit für Gymnasien zu G9 und das bestehende Angebot von G9 an Kooperativen Gesamtschulen hinausgehen. Die gymnasiale Oberstufe besteht als Einheit aus einer einjährigen Einführungsphase und einer zweijährigen Qualifikationsphase. Dies besagen auch die Vorgaben der Kultusministerkonferenz. Wenn Schülerinnen und Schüler an wissenschafts- orientiertes Arbeiten herangeführt werden sollen, ist die Einführungsphase notwendig, zumal im Kontext einer Schullandschaft, die viele Wege in die gymnasiale Oberstufe vorsieht und Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben werden muss, sich an die Arbeitsweise in der gymnasialen Oberstufe anzupassen. Dass dieser Weg erfolgreich ist, belegt nicht zuletzt die hohe Abiturientenquote in Hessen.
4.) Auflösung der Kultusministerien der Länder
Die föderale Struktur der Bundesrepublik ist im Grundgesetz festgelegt. Nicht zuletzt die Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus haben die Väter und Mütter unserer Verfassung bewogen, diese Form der staatlichen Ordnung zu wählen. Nur dadurch ist gewährleistet, dass der Wettbewerb zwischen den einzelnen Bundesländern gegeben ist und unterschiedliche Systeme in einem Wettstreit um die besten Ergebnisse stehen können. Dies ist vorallem auchim Bildungsbereich von großer Bedeutung, wie die Ländervergleiche im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Schulsysteme zeigen. Ein zentralstaatlich organisiertes Bildungswesen ist darüber hinaus stärker anfällig für Schwankungen aufgrund von politischen Grundsatzentscheidungen, wie in zahlreichen europäischen Nachbar- staaten erkennbar ist. Der finanzielle Aspekt fällt dabei nicht unbedingt ins Gewicht: Auch bei einem zentralstaatlich organisierten Bildungssystem muss eine regionale Schulverwaltung vorhanden sein – genauso wie bei den Länderministerien in einem föderalen System.
Mit freundlichen Grüßen
Nicola Beer
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am 13. November 2012
1.
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