Sehr geehrte Frau von Kanitz,
ich kann Ihren Eindruck, dass berufstätige Mütter es früher schwerer hatten, gut nachvollziehen. Auch ich habe in den zurückliegenden 20 Jahren immer wieder erlebt, wie mühsam es war und noch ist, Beruf und Familie zu vereinbaren, wenn Kindergartenplätze und Ganztagsschulen Mangelware sind. Von Betreuungsplätzen für unter Dreijährige ganz zu schweigen. Ein mehrjähriger Aufenthalt im Ausland hat mir als junge Mutter die Augen geöffnet, dass Berufstätigkeit und Familie kein Widerspruch sein müssen – für beide Elternteile. Was war, lässt sich nicht ändern. Meine Politik hat zum Ziel, die Rahmenbedingungen für heutige und künftige Mütter- und Vätergenerationen nachhaltig zu verbessern.
Ich bin auch aus eigener Erfahrung heraus eine Verfechterin der Ganztagsschule. Mich freut, dass die meisten der für Schulen zuständigen Bundesländer deren Ausbau forciert haben, seit der Bund finanziell hilft. Eine gute Nachmittagsbetreuung kostet Geld und Personal. Aber nur eines ist bekanntlich teuerer als gute Bildung, nämlich keine Bildung (Kennedy).
Wenn Sie kritisieren, dass das Kindergeld nicht gezahlt wird, bis Studierende ihren Masterabschluss gemacht haben, muss ich Ihnen widersprechen. Das Kindergeld wird nicht automatisch mit dem Bachelorabschluss eingestellt. Auch ein Masterstudium zählt als Ausbildung und die Familienkassen müssen weiter das Kindergeld gewähren, sofern die Studierenden unter 25 sind.
Diese Altersgrenze beim Kindergeld ist wichtig, denn sie signalisiert den jungen Menschen: Ab jetzt stehst Du auf eigenen Beinen. Wenn Sie ins Ausland schauen, finden Sie wenige Staaten, die Kinder in der Ausbildung finanziell so lange unterstützen wie Deutschland. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass deutsche Universitätsabsolventen heute mit jungen Menschen aus ganz Europa um die guten Jobs konkurrieren, in der Regel aber wesentlich älter sind. Damit ihre Chancen steigen, ist es wichtig, die Schulzeit sinnvoll zu verkürzen und schneller zu einem Studienabschluss zu kommen. Unter „sinnvoll zu verkürzen“ verstehe ich, nicht einfach nur ein Schuljahr einsparen, sondern den Lehrstoff entrümpeln und die vollen Lehrstunden auch tatsächlich zu erteilen. So – aber auch nur so – wird verständlich, warum fast alle anderen europäischen Länder um uns herum seit Jahrzehnten gut mit dem gehobenen Schulabschluss nach 12 Jahren fahren.
Die jungen Leute haben heute mit dem Bachelor bereits nach drei bis vier Jahren ihren ersten Abschluss in der Tasche und stehen dann für das Berufsleben bereit - auch, weil in den neuen Studiengängen die Berufsqualifizierung stärker betont wird. Ihrer Einschätzung, mit dem Bachelorabschluss könne man nichts anfangen, kann ich nicht teilen: Auch auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich, dass der Bachelor immer stärker als vollwertiger Studienabschluss anerkannt wird.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum es sinnvoll ist, das Kindergeld und die Ausbildungsdauer zu begrenzen: Internationale Studien kritisieren das deutsche System, nicht weil wir zuwenig Geld für die Kinder einsetzen, sondern weil wir den Löwenanteil zu spät investieren. In den frühen Jahren werden aber häufig die Grundlagen dafür gelegt, ob ein Kind später Abitur macht und ein Studium aufnehmen kann. Hier geht es um gerechte Lebenschancen für alle Kinder. Deshalb müssen wir für eine gute Bildung am Anfang mehr einsetzen, auch wenn das heißt, am Ende Grenzen zu setzen.
Ich hoffe, dass diese Argumente Ihr Verständnis finden und wünsche Ihnen alles Gute
Ihre